In diesem Beitrag beleuchte ich ein paar grundlegende Aspekte zum Thema Agilität. Ich beziehe mich dabei auf das Buch “Agiler führen – einfache Maßnahmen für bessere Teamarbeit, mehr Leistung und höhere Kreativität” von Svenja Hofert. Svenja Hofert ist Autorin zahlreicher Bücher, coacht Unternehmen und Führungskräfte und ist Expertin auf dem Gebiet agiler Organisationen und agiler Methoden. Das Buch ist in der 2.Auflage 2018 erschienen.
Einführung in das agile Denken
Die Verwendung der Begrifflichkeit im Managementkontext geht bis zu den 1970er Jahren zurück und ist auf zwei Personen zurückzuführen: Der ehemalige Vorstand von McKinsey Tom Peters, sowie Rosabeth Moss Kanther, Professorin der Harvard Business School. Beide versuchten sich von der “Starrheit bürokratischer Organisationen abzugrenzen”.
Bis in die 1990er Jahre herrschte im Projektmanagement die klassische Wasserfallmethode vor. Die Grundannahme dieser Methode ist, dass steigernde Komplexität mit möglichst genauer Planung bezwingbar sei. Allerdings gibt es Zahlen, dass bis zu 90% solcher IT Projekte scheiterten. Voraussetzung für die (starre) Wasserfallmethode wäre nämlich, “(…) dass der Kunde jederzeit genau weiß, was er will, und dass sich Anforderungen nicht ändern.” Im Softwareumfeld auf Projektmanagement Ebene spielte Agilität, als die Reaktion auf zu viele nicht-erfolgreiche ‘Wasserfall’-Projekte, seither eine zunehmend wachsende Rolle.
“Eines der Kernprobleme des klassischen Projektmanagements sind nicht berücksichtigte softe Faktoren wie Kommunikation und Vertrauen. Genau diese soften Faktoren stützt ein agiles Projektmanagement.”
2001 veröffentlichte der Softwareentwickler Kent Beck und seine Kollegen das agile Manifest mit seinen 4 Axiomen:
- “Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge
- Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation
- Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlung
- Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans
Das heißt, obwohl wir die Werte auf der rechten Seite wichtig finden,schätzen wir die Werte auf der linken Seite höher ein.”
Aus diesem Manifest heraus bildeten sich auf die bekannten Frameworks wie z.B. Scrum, Kanban, Extreme Programming.
Der Unternehmer Brian Robertson trieb es weiter und entwickelte für sein Unternehmen die Holakratie, also die Abschaffung von Hierarchie durch Dezentralisierung und die Ausweitung agiler Team-Systematik auf das ganze Unternehmen.
Ein paar Ergebnisse aus der Wissenschaft
- Eine Studie der Oose Informatik (2010) besagt, dass agile Projektmethoden zu 59% erfolgreich sind und klassische zu 40,8%.
- Dissertation von Chaehan So (2010) an der Humboldt-Universität Berlin: Höhere Leistung entsteht durch Anwendung von Agilität aufgrund Kommunikationsstrukturen und höhere Anzahl von Interaktionen.
- Eine zwischen 2012-2014 angelegte Studie “Status quo agile” der Hochschule Koblenz ergab, dass Nutzer agiler Methoden zufriedener und erfolgreicher sind als andere. Dies ist wohl auch auf die vielzahl an zwischenmenschlicher Interaktionen durch die Teammitglieder (z.B. Retrospektiven, Daily-Meetings, Stand-Ups) zurückzuführen. Probleme werden so tendenziell schneller angesprochen und die Kommunikation ist dadurch transparenter.
- 2014 veröffentlichte Frederic Laloux (auch McKinsey) seine Forschungen in “Reinventing Organizations”. Er fand heraus, “dass agile Prinzipien Unternehmen besonders erfolgreich machten.”
- Umfrage der Fachhochschule Koblenz: Am häufigsten verwendete agile Methode ist Scrum mit 86%, gefolgt von Kanban
- Umfrage von McKinsey: “Respondents in agile units report better performance than all others do” (source Mc Kinsey)
Agilität – Ein Erklärungsversuch
Was bedeutet das Wort agil überhaupt? Im Duden steht: “agil: von großer Beweglichkeit zeugend; regsam und wendig” Auf unseren Arbeitskontext bezogen ist das allerdings noch nicht ganz vollständig, denn hier fehlt die Bezugnahme auf organisatorische Prozesse, sowie die sozialen und kommunikativen Ebenen.
Agilität lässt sich wie oben angedeutet nicht nur auf Projektmanagement- Methoden reduzieren. Agile Prinzipien, Werte und Methoden finden auch in der Unternehmens- und Personalführung ihre Anwendung. Sie sind als eine Antwort auf eine sich verändernde Arbeitswelt zu verstehen – Stichtwort: VUCA-Environment. VUCA steht für Volatility (Unberechenbarkeit), Uncertainty (Ungewissheit), Complexity (Komplexität), Ambiguity (Ambivalenz).
“Agilität ist die Fähigkeit von Teams und Individuen, Organisationen, in einem unsicheren, sich veränderndem, dynamischen Umfeld flexibel, anpassungsfähig und schnell zu agieren. Dazu greift Agilität auf verschiedene Methoden zurück, die es Menschen einfacher machen, sich so zu verhalten.”
An diesem Definitionsversuch von Svenja Hofert finde ich zweierlei Dinge betonenswert: Zum einen wird – so denke ich – sehr bewusst der Begriff “agieren” verwendet und nicht “reagieren”. Das beinhaltet für mich einen impliziten aktiv-antizipierenden Aspekt. Echte Agilität heißt für mich insofern sich vorausschauend zu verhalten und zu denken. Zum anderen ist die Erwähnung wichtig, dass Agilität auch die Verwendung von Methoden beinhaltet, denn dass räumt mit dem Glauben auf, dass es in agilen Sphären keine klaren Regeln gäbe oder dass es gar mit anarchischen Ideen vereinbar wäre.
Skeptische Blicke auf Agilität aus der Führungsperspektive?
Häufig wird Agilität gerade in den Führungsetagen misstrauisch beäugt, denn es gehen damit womöglich die Ängste und Sorgen einher, dass durch die Einführung von Agilität in Unternehmen auch die Führungskräfte abgeschafft werden sollen. Allerdings muss man hier genau differenzieren: Agilität als Prinzip versucht Hierarchien zu reduzieren, jedoch nicht Führung abzuschaffen. Das Verständnis von agiler Führung ist allerdings auch ein anderes als man es vielleicht noch aus inhaltlich tayloristisch geprägten BWL-Vorlesungen kennen mag:
“Ein guter Dirigent wird nicht seine Vorstellung an das Orchester administrieren, sondern die Kraft seiner Musiker aufnehmen und zusammenführen, lebendig, im Moment, aufeinander eingehend.”
Agilität lässt sich nur mit einem Führungsverständnis verwirklichen, welches die Begabungen und Stärken der einzelnen Mitarbeiter fördert, so dass sie von sich heraus intrinsisch motiviert sind und in Flowzustände kommen beim arbeiten.
Agile Werte, Prinzipien, Methoden, Frameworks
Da in agilen Unternehmen eine hohe Transparenz herrscht ist es wichtig, dass man sich mit gegenseitigem Respekt behandelt. Beispielsweise stellt man niemanden an den Pranger, wenn man an einem Visualisierungsboard (z.B. Kanban) erkennt, dass jemand langsamer zu arbeiten scheint als ein anderer. Das würde die Idee konterkarieren. Dies setzt bei jedem Einzelnen eine persönliche Reife und damit eine Reflexions- und geschulte Kommunikationsfähigkeit voraus.
“Die wichtigsten agilen Werte sind die folgenden:
- Selbstverpflichtung (Commitment)
- Rückmeldung (Feedback)
- Fokus (Focus)
- Kommunikation (Communication)
- Mut (Courage)
- Respekt (Respect)
- Einfachheit (Simplicity)
- Offenheit (Openness)”
Werte stellen den elementarsten und zentralen Kern dar, während die Prinzipien sich wie das Fruchtfleisch um den Kern bilden, und so den Kern erst zur Entfaltung bringen. Werte sind Voraussetzungen für Handlungen. Prinzipien begrenzen und rahmen die Handlung.
Agile Prinzipien leiten sich aus diesen zu Grunde liegenden Werten ab. Beispielsweise lässt sich aus dem Wert ‘Mut’ folgendes Prinzip ableiten: “Wir wollen experimentieren und ausprobieren” Prinzipien helfen also dabei die Werte zu konkretisieren. Ein weiteres Besipiel wäre:
Wert: Einfachheit → Prinzip: Wir wollen Kleinschrittig vorgehen (Baby Steps) → Handlung: Kleine Schritte machen im Projekt → Kernfragen: Was wäre ein Minierfolg im Projekt?
Durch die Kombination der Prinzipien und Entwicklung von Regelwerken entstanden die sogenannten agilen Methoden und Frameworks (Prozessmethoden). “Das sind Rahmen, die beschreiben, wie Aufgaben und Prozesse ablaufen sollen.” Die am meisten verbreiteten Frameworks sind Scrum und Kanban oder auch Design Thinking.
Mein Fazit soweit erstmal
Es gibt aus meiner Sicht eine Vielzahl von Gründen auf Agilität zu setzen. Nicht zuletzt die aufgezählten wissenschaftlichen Studienergebnisse sprechen dafür. Wichtig ist aber auch zunächst eine Bestandsaufnahme zu machen um zu sehen wo man eigentlich steht, um das für seine Organisation angemessene Maß an Agilität anzugehen. Wichtig ist es dabei auch step by step vorzugehen, also weniger das große Idealziel vor Augen zu haben, sondern aktuelle Probleme antizipierend in Angriff zu nehmen.